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Heini van der Wlazny meets Tassilo Brunner-Groszkranz

10.10.2022 20:55

#bundespräsident #wahl #miteinander

In diesem Blogartikel erfährst du...

+ warum „Handy weg vom Steuer“ nicht mehr gilt
+ was John Lennon und die Familie Petz wiederaufleben lässt
+ was der Unterschied zwischen partibus und Partybus ist
+ warum ein Rüssel kein Bein ist
+ wie man Gräben zuschütten könnte


Zuerst wird’s bissig. Unten wird’s konstruktiv.

Eröffnen möchte ich diesen Artikel mit einer gängigen Metapher, wenn es um den österreichischen Politzirkus geht: dem Kasperltheater.

Der diesmalige Kandidatenmix für die österreichische Präsidentschaft hätte kaum krasser ausfallen können. Einerseits war da der Amtsinhaber, der zwar viel Erfahrung und diplomatisches Geschick, die klassischen Präsidentschafts-Skills also mitbringt. Seine Bühnenrolle werde ich weiter unten zuordnen. Andererseits kandidierte auch der Kasperl.

Letzterer hätte zwar mit seinem jugendlichen Esprit die altehrwürdigen Amtsräumlichkeiten der Hofburg durchlüftet, dass endlich die Wände wackeln. Abgesehen davon und einer sympathischen Art gab es aber statt konkreter Inhalte die coole Standard-Ansage. Ja, okay, red ma drüber. Und was heißt das jetzt genau?

Bizarr war für mich allerdings, ihn mir bei einem Staatsbesuch vorzustellen, während sein YouTube-Kanal voll von Videos ist, die so gar nicht dazu passen. Da ist etwa ein splitternackter Typ auf allen Vieren zu sehen, aus dessen Hintern eine angezündete Rakete ragt, als Geräuschkulisse lautes Gegröle. Im Video von einem Bühnenauftritt simulieren (bestenfalls… so genau sieht man es nicht) zwei ebenfalls splitternackte Männer Analverkehr.

Die Videos von einem solchen Repräsentanten unseres Landes wären noch am Tag seiner Wahl um die Welt gegangen, und die hätte sich totgelacht, und zwar kollektiv über uns alle. Mal ehrlich, wir würden dasselbe tun! Österreich dann gar als international anerkannte Kasperlbühne.

Ex aequo bezüglich völliger Unvereinbarkeit mit der „Würde des Amts“ (Würde überhaupt) sind die Videos eines weiteren Kandidaten, die sogar extra für den Wahlkampf gemacht wurden. In einem imitiert er äußerst lebensnah einen Gorilla, in einem anderen sitzt er im Bierzelt und schreit nicht gerade sehr staatsmännisch: „Zipfl eini, Zipfl ausse!“ in die Kamera. In einem weiteren filmt er sich während des Autofahrens mit dem Handy, schwenkt dann in Richtung seines Schritts und ruft voller Inbrunst: „Cojones! Eier!“ Die habe er, jawohl! Der Kasperl und das Krokodil in Personalunion. Wobei, die Rolle des Kasperls ist ja schon vergeben. Das Krokodil passt sehr gut.

Da predigt alle Welt den Kindern und Jugendlichen, sie mögen keine peinlichen Fotos und Videos von sich posten. Das Internet vergesse nie. Und wir Erwachsenen zahlen Strafe, wenn wir mit dem Handy in der Hand Auto fahren. Aber bist du Kandidat für Amt und Würden… Tolles Vorbild!

Gecastet wurde auch ein Mann, der grundsätzlich in einer etwas abgetragen wirkenden roten Jeansjacke zu sehen war. Entgleisungen unterließ dieser zwar, und ich fand seine Träume ja sehr schön und grundlegend, jedoch ließen sie jedes Mal das Lied „Imagine“ von John Lennon in mir anklingen.

Der herzige Mann spricht zudem ausschließlich Dialekt. So aufgeschlossen und inklusiv er ansonsten denken mag, aber dass auch jene Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ihn verstehen dürfen sollten, die des Dialekts nicht ganz so mächtig sind, scheint dann doch hinter einem Authentizitätsdogma gereiht. Licht und Liebe beim Staatsbesuch mit dreisprachigem Dolmetsch, das hat mich nicht überzeugt.

Diesen Kandidaten stelle ich mir als den harmlosen, immer lieben Pezi aus der Familie Petz vor, wie er aus vollem Herzen „Großvati!“ ruft… Damit ist nun auch der Amtsinhaber, wie oben angekündigt, ins Ensemble geholt.

Wer fehlt noch? Fips! Den habe ich tatsächlich blau in Erinnerung. Ist der nicht eine Ratte? Ich rede natürlich von der Puppenfigur. Wobei ein weiterer Kandidat Fips jedenfalls optisch und stimmlich besser repräsentiert. Einigen wir uns hier auf eine Doppelbesetzung. Wie Fips charakterlich so drauf ist, weiß ich nicht mehr. Meine Kindheit ist schon eine Weile her. Sonderlich gewinnend in seiner Art habe ich ihn nicht im Gedächtnis, eher ein bisschen spitz.

Last but not least und nicht zu unterschätzen: der Zauberer. Zauberer leben von der Illusion. Sie trainieren die Fähigkeit, Menschen mit ihrem Charme und Scheinhandlungen abzulenken. Der Magier im Tarot ist der Meister der Manipulation, je nach Kontext. Grundsätzlich nützt er alle Werkzeuge, um an sein Ziel zu gelangen, und sei es die einstudierte Merkel‘sche Raute, garniert mit einem zu netten Lächeln ohne mitlächelnde Augen.

Womit die Besetzung komplett wäre. Jetzt folgt der konstruktive Teil.

Ich werfe des Öfteren einen Blick ins Wochenhoroskop von Verena Bachmann. Diesmal beinhaltet es zwei sehr interessante Passagen. Es geht um den Umgang mit scheinbar unvereinbaren Standpunkten. Das hat mich überhaupt erst auf den Reigen der Gegensätze bei der präsidialen Castingshow gebracht. Er gibt ein sehr gutes Beispiel dafür ab.

Gegenpole und unüberwindbar scheinende Gräben im Miteinander gibt es nicht nur auf der politischen Bühne, wie uns spätestens seit 2020 allen klar ist. Sie müssen auch gar nicht die Gesellschaft als Ganzes betreffen. Es reichen schon unsere familiären und Liebesbeziehungen aus, um das im eigenen Leben einmal (oder öfter) festgestellt zu haben. Ich nehme mich da nicht aus.

Was schreibt also Verena Bachmann dazu: „Am besten gelingt dies, wenn beide Pole oder das ganze Spektrum eines Themas als sich ergänzende Teile eines Ganzen gesehen werden und das ernst genommen und respektiert wird. (…) Wenn Sie bereit sind, über gemeinsame Spielregeln und Gestaltungsformen zu diskutieren, allfällige Unklarheiten zu bereinigen und ein für alle Beteiligten vertretbares Gleichgewicht von Geben und Nehmen zu finden, bieten sich Möglichkeiten für konstruktive Resultate.“ [Quelle hier]

Der Gedanke, der mich aufhorchen ließ: „das ganze Spektrum eines Themas als sich ergänzende Teile eines Ganzen“. Ja! Was für eine geniale Idee!

Es stimmt. Spielen wir das durch, am besten nochmals am Beispiel des politischen Puppentheaters von Großvati bis Fips. Es geht, ob da oder in einer Ehe, doch immer nur darum, wer Recht hat oder Recht bekommt. Stimmt’s?

Deswegen tun wir alles, um einander niederzuknüppeln, zu übertrumpfen, auszuhebeln, eines Besseren zu belehren und was wir sonst noch alles aus der Trickkiste fischen, um zu gewinnen. Nun haben, um beim Puppentheater zu bleiben, die einen ihre glühend überzeugte Gefolgschaft und die anderen auch. Sind also die einen dumm und die anderen wissen, wie es geht? Oder umgekehrt? These, Antithese… Jetzt die Synthese, die Zusammenführung der Pole: Kann es sein, dass es ganz einfach die falsche Frage ist, über die wir uns klar werden wollen?

Im Prinzip ist es wie in der Geschichte, wo mehrere blinde Weise losgeschickt werden, um ein seltsames Ding vor den Stadttoren zu identifizieren. De facto ist es ein Elefant. Nur ist der so groß, dass jeder der Blinden einen anderen Teil von ihm ertastet. Mit dementsprechend unterschiedlichen Beschreibungen des Objekts kommen sie zurück. Sie können nicht objekt-iv sein, obwohl jeder von ihnen genau das zu sein glaubt.

Wie kann nun der einzelne Blinde draufkommen, worum es sich bei dem Ding wirklich handelt? Und wenn er noch so Recht hat mit dem, was er mit seinen eigenen Händen ertastet hat, es kann ihm nicht gelingen.

Jetzt stell dir einmal vor, der Großvati, der Fips und alle anderen schmeißen ihren Teil der Erfahrung und Interpretation des großen Ganzen in einen gemeinsamen Wissenspool und gestehen einander zu, dass jeder eine andere Perspektive beiträgt, die er selbst nicht im Repertoire hat. Auch auf die Gefahr hin, dass bei dir jetzt auch gleich John Lennon anklingt, aber überleg dir das einmal. Wenn alle aus dem Pool schöpfen, geht wohl mehr weiter, als wenn sie sich vor lauter Hick-Hack immer nur im Kreis drehen. So gesehen passt der Begriff „Reigen“ wirklich gut.

Allein die Gesprächsqualität in der „Elefantenrunde“ (wie treffend…) und deren Informationsgehalt wären ganz andere gewesen, hätten sich sozusagen Heini van der Wlazny und Tassilo Brunner-Groszkranz als Wissens- und Perspektivengemeinschaft verstanden, statt den altbekannten Kampf der Egos zu praktizieren, wie wir das alle tun, ohne je dessen Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Weit hergeholt? Gegenfrage: Nur weil etwas schon immer so war, müssen wir es dann auch für immer beibehalten?

Elefantenrunde vor einer Wahl bedeutet: Jeder ist sein eigener Elefant. Der eine besteht nur aus Bein, der andere nur aus Ohr, der Nächste nur aus Rüssel. Pars pro toto. Elefant ist das alles keiner. Der ist toto ex partibus. (Nein, Kasperl, kein Partybus! Das Ganze bestehend aus seinen Teilen! Aber als lateinkundiger Arzt weißt du das sicher. Ich mach nur Spaß.)

Wenn ich ein Bein ertastet habe und der andere den Rüssel, worüber soll ich endlos herumstreiten und was bringt das letzten Endes mir, dem anderen und irgendwem? Doch wir tun es, wir alle, in den verschiedensten zwischenmenschlichen Bereichen. Deswegen sind wir so müde. Wir sind politikmüde, beziehungsmüde, geistig und körperlich müde. Klar, wir pulvern Unmengen Energie in ein aufreibendes und aussichtsloses, ja zerstörerisches Unterfangen, in dem es trotz all der Anstrengung keine Gewinner gibt. Im Kleinen wie im Großen. Ich habe es genauso gemacht, bis mir das vor kurzem klar wurde. Der zitierte Text untermauert das nochmals und bringt es auf den Punkt.

Was, wenn wir es einmal anders versuchen? Ich tue das auf jeden Fall. Mir passiert nichts, auch wenn der andere nach altem Muster vorgeht. Die Erfahrung des Gegenübers und „seine Welt“ tut meiner keinen Abbruch. Ich kann sie ihm lassen, auch wenn ich die Dinge anders sehe. Maximal kann seine Erfahrung meinen Horizont erweitern, wenn ich zur Abwechslung mal die Klappe halte und zuhöre, anstatt mir währenddessen schon zu überlegen, wie ich bestmöglich kontern und ihm klarmachen kann, dass der Rüssel ein Bein ist.

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10/10/2022 – Made4Gravity© Astrid Schernhammer Bild der Autorin


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